Kreisheimatkundetag zu Gast in Herzberg
Jubiläumssymposium in der Aula des Philipp-Melanchthon-Gymnasiums beleuchtete die Wurzeln der Region an Elbe und Elster
Der Kreisheimatkundetag feierte in diesem Jahr 30. Geburtstag. Mitte der 90er Jahre im damaligen Wahrenbrücker Schützenhaus aus der Taufe gehoben, begann die Geschichte der beliebten und traditionsreichen Veranstaltungsreihe. Daran erinnerte gleich zu Beginn des Symposiums am 16. November in der Aula des Philipp-Melanchthon-Gymnasiums die Leiterin des Amtes für Strukturentwicklung und Kultur des Landkreises, Steffi Marschner. Seit drei Jahrzehnten geht es bei dem Format um regionalhistorische Themen. Dabei rücken verschiedene Aspekte der Geschichte in den Vordergrund und regen Heimathistoriker und Wissenschaftler zum intensiven Diskurs an.
Beim Jubiläum standen die Wurzeln im Mittelpunkt. Unter dem Titel „Ausgegraben und wiederentdeckt“ beschäftigte sich das heimatgeschichtliche Symposium diesmal mit der Vorgeschichte der Region an Elbe und Elster.
Zum Auftakt stellte Ralf Uschner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mitteldeutschen Marionettentheatermuseum Bad Liebenwerda, die archäologische Sammlung des Museums vor. Diese wird derzeit im Depot verwahrt. Es handelt sich um eine der umfangreichsten archäologischen Sammlungen im Dreiländereck zwischen Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Sie umfasst einige Tausend Objekte, die die menschliche Geschichte der vergangenen 200.000 Jahre im Elbe-Elster-Land repräsentieren. Dazu gehören archäologische Funde der Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit, Römischen Kaiserzeit (Germanen), der Slawenzeit und des Mittelalters. Am bedeutendsten ist dabei der Sammlungsbestand zur Bronzezeit. Neben gut zweihundert original erhaltenen zwei- bis viertausend Jahre alten Keramikgefäßen aus nahezu allen Orten unserer Heimatregion, gehören dazu auch Fundstücke aus Bronze, wie Schmuckgegenstände oder sogenannte Lappenbeile. Meist stammen diese Funde aus Grabstätten. Entstanden ist diese Sammlung bereits vor gut einhundert Jahren. Seinerzeit hatte jedes Dorf noch eine eigene Schule mit Dorfschullehrer und natürlich gab es dort eigene kleine archäologische Sammlungen für den Unterricht zur Geschichte der Heimatregion. Die Sammlung im Mitteldeutschen Marionettentheatermuseum fußt auf den archäologischen Sammlungen der Kreismuseen in den Altkreisen Bad Liebenwerda und Herzberg/Elster (Schweinitz), die auf Lehrerpersönlichkeiten wie Albert Voegler (Prieschka/Herzberg), Fritz Stoy (Lönnewitz/Schmerkendorf) oder den Kantor Richter in Wahrenbrück zurückgehen.
Die Geschichte früherer Zeit ist noch heute in der Kulturlandschaft erlebbar. Sei es der Ortsname Möglenz, im Slawischen der Grabhügel, der an die über 600 erhaltenen, noch im Schweinert bei Falkenberg/Elster anzutreffenden Hügelgräber erinnert. Der Schliebener Arzt und Apotheker Friedrich August Wagner sprach vor 200 Jahren gar von den Pyramiden an der Schwarzen Elster. In den größten dieser Grabanlagen könnte ein kompletter Lkw-Transporter verschwinden. In diese Zeit gehören auch die mit drei bis vier Hektar (30.000 bis 40.000 Quadratmeter) großen und beeindruckenden Burgwälle bei Kosilenzien, Malitschkendorf oder die Waalberge bei Falkenberg.
Isabell Martin, Grabungsleiterin bei der ABBU R. Methner & L. Ruhnow GbR aus Cottbus, entführte die Besucher des Kreisheimatkundetages mit ihrem Vortrag in die Elbestadt Mühlberg. Unter dem Titel „Auf die Lage kommt es an – 3.000 Jahre Siedlungsgeschichte im Einzugsgebiet der Elbe bei Mühlberg“ präsentierte sie jüngste Grabungsergebnisse, die vor dem Neuaufschluss des Kieswerkes von Elbekies in Mühlberg gewonnen wurden. Darunter befanden sich Teile einer Turmhügelburg, die seit 600 Jahren verschollen war und den Herren von Jeser zugeordnet werden. Ein spektakulärer Fund, der einen wichtigen Baustein zur Geschichte Mühlbergs im späten 12. und frühen 13. Jahrhundert beisteuert.
Dr. Gerd Günther aus Bad Liebenwerda lieferte mit seinem Vortrag „Märchen, Dornen und Siegel. Mittelalterliche Verteidigungssysteme“ Hinweise, wie man derartigen Funden toponomastisch auf die Spur kommt. Es gibt heute nur noch sehr wenige bauliche Spuren aus den Anfangsjahren unserer Siedlungen vor über 800 Jahren. Umso schwerer lassen sich Aussagen zur mittelalterlichen Stadtverteidigung treffen. Mit Hilfe der Flurnamenkunde (Toponomastik) konnte der Denkmalschützer Dr. Gerd Günther nun als Erster im deutschsprachigen Raum komplette Verteidigungssysteme rekonstruieren. Die Flurnamen bilden dabei den Schlüssel zur Erforschung der frühen Ortsgeschichte. Deren Bezeichnungen (z.B. Horst, Hag, Verhau, Landwehr, Tor, Mauer, Wall, Schanze, Wolfsgruben) lassen Rückschlüsse auf die jeweiligen Funktionen zu und erlauben eine großflächige Kartierung. Wie dies möglich ist und wie die Verteidigung damals vonstattenging, darüber berichtete Dr. Gerd Günther in seinem Vortrag.
Praktische Einblicke in vier Jahrzehnte als ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger gab Dr. Gert Wille vom Freundeskreis Zliuuini Schlieben. Für den aus Proßmarke stammenden Autor ist die Historie Leidenschaft. Seit vielen Jahrzehnten hat sich Dr. Gert Wille der Heimatforschung verschrieben und dabei gerade für die Geschichtsschreibung und Dokumentation für das Schliebener Land Verdienste erworben. In unzähligen Schriften und Buchprojekten hat er Themen der lokalen Heimatforschung bearbeitet und zur Veröffentlichung gebracht. Getreu seinem Leitspruch „Tue Gutes und erzähle es“ wurden die Werke in spannenden und kurzweiligen Vorträgen der breiten Öffentlichkeit und auch im Internet präsentiert.
Zum Abschluss stellte Dr. Sebastian Rick aus Gröden seine Biografie des sächsischen Denkmalpflegers und gebürtigen Grödeners, Hans Nadler (1910 – 2005), vor. Nicht nur prominente Bauwerke wie die Dresdner Frauenkirche und die Semperoper, sondern auch zahlreiche Denkmäler in den Städten und Dörfern Sachsens und Südbrandenburgs verdanken ihm das Weiterbestehen.
Der Erhalt der Denkmäler kurz nach Kriegsende war allerdings aufgrund der enormen Zerstörungen keine Selbstverständlichkeit. Erschwerend kam hinzu, dass sein Amt als Landesdenkmalpfleger und späterer Leiter des Dresdner Instituts für Denkmalpflege nach 1945 in eine Verwaltung eingebettet war, die von der SED bewusst zu einem ideologischen Instrument für die Durchsetzung parteilicher Interessen aufgebaut wurde. Als Nicht-Parteimitglied und Bildungsbürger stand Nadler allzeit im Verdacht, gegen diese Interessen zu verstoßen. Die Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen in der Ausübung seines Amtes sowie seinen persönlichen Werdegang schilderte Dr. Sebastian Rick in seinem Vortrag. Dort ging er auch auf die frühen Jahre Nadlers als archäologischer Ausgräber ein.
Bild zur Meldung: Fotos Pressestelle Kreisverwaltung/ Torsten Hoffgaard: Die Referenten des 30. Kreisheimatkundetages v.l.n.r.: Isabell Martin, Dr. Gert Wille, Dr. Sebastian Rick, Babette Weber (MVEE), Dr. Gerd Günther, Steffi Marschner und Ralf Uschner.